Gummistiefel aus Naturkautschuk

Gummistiefel aus Naturkautschuk

Es scheint Ewigkeiten her, seit ich Gummistiefel trug, auf dem Hof meiner Eltern. Dabei erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen. Und wenn ich sie heute besuche, stehen die Stiefel immer noch bereit.

Modischer Schick

Längst sind Gummistiefel nicht mehr nur Arbeitsschuhe die im Stall, im Wald oder bei der Gartenarbeit getragen werden. Auch haben sie das Image der langweiligen Regenlatscher im Schmuddelwetter beim Gassigehen mit dem Hund verloren. Sie sind angekommen in der Welt der Modemacher, die sie als coole und stylische Accessoires für sich entdeckt haben. In verschiedenen Farben und Designs schmückt der Gummistiefel seit längerem so manches Bein. Kaum bekannte Hersteller, sind inzwischen zu spitzen Marken avanciert. Aber wie sieht es mit der Umweltverträglichkeit der Materialien aus?

Material für Wind und Wetter

Die Gummistiefel auf dem Markt werden aus drei verschiedenen Materialien – PVC, PUR bzw. PU oder Naturkautschuk – hergestellt. Alle drei haben in ihrem Gebrauch und in ihrem »Preis« Vor- und Nachteile. Was aber ihre Schädlichkeit für Mensch und Umwelt angeht, haben PVC und PU leider eindeutig die Nase vorn.

Polyvinychlorid (PVC)

verursacht von der Produktion bis zur Entsorgung zahlreiche Umweltprobleme. Es wird aus Erdöl, das nur begrenzt zur Verfügung steht, gewonnen und besteht zu einem großen Anteil aus Chlor. Bei der Herstellung, der Verwendung und Entsorgung sind Gifte, die erhebliche Gesundheits- und Umweltrisiken bergen beteiligt (Chlorchemie, Dioxin, PVC: Zusatzstoffe etc.). Das elastische PVC für die Gummistiefel enthält Weichmacher, welche die Gesundheit schädigen können. Außerdem ist PVC aufgrund der Chloranteile und der Zusatzstoffe nur schwierig bis gar nicht zu recyceln. PVC-Produkte sind Sondermüll und werden auch dementsprechend behandelt. Also falls Sie noch alte Gummistiefel zuhause haben, entsorgen Sie diese unbedingt als Schadstoff.

Polyurethan (PUR)

bzw. PU ist ebenso gesundheitlich und ökologisch bedenklich. Auch wenn es in seinem Gebrauch als ungefährlich eingestuft wird. Aus Erdöl gewonnen ist PU ein Kunststoff, der in Produkten hart oder weich, flexibel oder fest, massiv oder geschäumt eingesetzt wird. Es findet Anwendung z.B. in der Bauindustrie, als Dämmmaterial bei Kühlschränken und Gefriergeräten, als Polster in Matratzen, in Medizinprodukten und in der Kosmetikindustrie. Polyurethan entstehen aus einer Reaktion von Isocyanate mit Polyolen. Isocyanate sind stark giftig und krebsverdächtig, nach der Verarbeitung sind sie zwar nicht mehr nachweisbar, werden bei der Entsorgung aber problematisch. Denn bei der Verbrennung werden sie, wie andere verwandte Chemikalien (Dioxine, Blausäure) wieder freigesetzt.

Kautschuk (Naturgummi)

Gummistiefel aus Kautschuk sind die gesundheitlich einzig unbedenkliche Alternative. Auch wenn der Geruch der Gummistiefel aus natürlichem Material gewöhnungsbedürftig ist, so sind die verwendeten Hilfsstoffe harmlos. In der Ernte, der Produktion, bei Gebrauch und Entsorgung ist natürlicher Gummi unproblematisch. Der milchige Saft (Naturlatex) des Kautschukbaums hat in vulkanisierter Form gute Hafteigenschaften, ist enorm elastisch, ist fest und kann als dünne Beschichtung für andere Stoffe dienen. Kautschuk ist ein nachwachsender Rohstoff, der sehr langlebig ist. Aber auch er hat seine Schattenseite.

Gummistiefel aus der Natur – ein ambivalente Geschichte

Der natürliche Lieferant für diese Gummistiefel ist der Kautschukbaum. Die Sorte »Hevea brasiliensis«, die ursprünglich aus Mesoamerika und den Amazonasgebieten stammt, hat die beste Qualität. Weil nach dem Anritzen der Rinde der Saft aus dem Baum fließt gaben ihm die Maya den wunderschönen Namen »caa o-chu = Tränendes Holz«. Die Ureinwohner nutzen lange vor der Entdeckung Amerikas den Naturrohstoff Latex. Sie dichteten damit Gefäße ab, fertigten Schläuche und spielten mit Gummibällen.

Seit ich vor Jahren auf Phuket das Denkmal des Gouverneurs Phraya Ratsada Nupradit sah, interessierte mich die Geschichte des »Gummibaums«. Er brachte den Baum nach Thailand und wird noch heute dafür verehrt. Auf seine Initiative pflanzten thailändische Bauern und chinesische Einwanderer die Kautschukbäume an. So wurde der Kautschuk eines der wichtigsten Exportgüter Thailands. Die Geschichte des Baumes hat mich beeindruckt, weil sie hinter die Kulissen wirtschaftlicher Entwicklungen blicken lässt. Eine Geschichte von Geld, Ausbeutung und Gier. Kautschukbäume wuchsen wild im Urwald. Später wurde sie als Monokultur in Plantage angepflanzt. Der Handel mit Kautschuk hat »eine der größten und raschesten ökologischen Veränderungen in der Menschheitsgeschichte« ausgelöst. Für die Plantage wird viel Regenwald gerodet, wodurch das sensible und vielfältige Ökosystem gestört wird.

Goodyear macht es möglich

Bereits im 17. und 18. Jahrhundert entdeckten Naturwissenschaftler den vielfachen Nutzen der wasserabweisenden Eigenschaft des Kautschuk, der sich u.a. mithilfe von Terpentin formen und verarbeiten ließ. So begann der Import des Kautschuk aus Südamerika. Allerdings waren die ersten Kautschukprodukte noch stark temperaturabhängig. Bei Kälte wurden sie brüchig und in der Sommerhitze begannen sie zu kleben. Erst als 1839 Charles Goodyear den Prozess der Vulkanisation – das Verfahren, welches Kautschuk in Gummi verwandelt – entdeckte, begann der rasante Aufstieg des Naturkautschuks zum massentauglichen Produkt in Europa. Das Gummi war witterungsbeständiger, elastisch, reißfest und blieb in seiner Form. Regenmäntel, Wärmflaschen und vor allem Gummistiefel für das englische Regenwetter wurden produziert. Ebenso Dichtungen für Dampfmaschinen und Schläuche. Zu einem strategisch enorm wichtigen Rohstoff wurde der Kautschuk allerdings erst mit der Entwicklung von luftgefüllten Autoreifen.

Kautschukbarone, Samenräuber, Todesstrafe

Der Boom in der Automobilindustrie ließ die Preise für Kautschuk regelrecht explodieren und verhalf den Kautschukbaronen im Herkunftsgebiet zu unermesslichem Reichtum. Mitten im tiefsten brasilianischen Urwald bauten sie die kleinen Städte Belém und Manaus zu bedeutenden Handelsmonopolen aus. Neben ihren herrschaftlichen Villen ließen sie in Manaus ein imposantes und kostspieliges Opernhaus errichten. Die Baumaterialien wurden extra aus Europa importiert, darunter Marmor aus dem italienischen Carrara. Dieser Bau regte Werner Herzog zu seinem berühmten Kinski-Film »Fitzcarraldo« an.

Der Todesstrafe entronnen

Um das Monopol auf Kautschuk zu wahren, verbot Brasilien die Ausfuhr der Samen des Hevea-Baums. Wer es dennoch versuchte, hatte die Todesstrafe zu erwarten. Diese Abhängigkeit ärgerte die Industriestaaten in Europa und Nordamerika. Vor allem die Briten wollten sich mit eigenem Nachschub versorgen. Um ihre Wirtschaftsinteressen durchsetzen, planten sie den Gummibaum in ihren südasiatischen Kolonien anzubauen. Dafür beauftragten sie 1876 den englischen Abenteurer Henry Wickham Kautschuksamen aus Brasilien zu schmuggeln. Hätten die Brasilianer Wickham damals erwischt, der Tod wäre ihm gewiss gewesen. Ob er die Samen einfach stahl oder Mitarbeiter der brasilianischen Behörden bestach ist nicht genau bekannt. Zumindest gelang es ihm ca. 70.000 Kautschuksamen zu sammeln. Er hat sie als »exotische und empfindliche Pflanzenmuster für den botanischen Garten« deklariert und nach London gebracht. (auch diese Geschichte wurde verfilmt – 1938 von der UFA in schwarz-weiß unter dem Titel »Kautschuk«)

Neue Anbaugebiete

In den Royal Botanical Gardens wurden aus den Samen Setzlinge gezüchtet. Diese wurden dann in den Kolonien in Malaysia, Sri Lanka und Singapur angepflanzt. Sie sind der Ursprung für sämtliche Kautschukplantagen außerhalb Südamerikas, auch die der thailändischen Plantagen. Thailand war nie unter kolonialer Herrschaft. Ob der damalige Gouverneur von Phuket die Setzlinge aus Malaysia geschenkt bekam, er dafür zahlen musste oder sie vielleicht auch nur schmuggelte, konnte ich nicht herausfinden. Dass die Briten ihre mühsam gezüchteten Setzlinge umsonst hergaben, kann ich mir allerdings nicht vorstellen. Thailand wurde ja damit ein zusätzlicher wirtschaftlicher Konkurrent in der Kautschukproduktion.

Gewinner und Verlierer

Um 1910 rentierte sich der Anbau von Kautschukbäumen erstmalig. Knapp 10 Jahre später kamen 80% des Kautschuks auf dem Weltmarkt aus Südostasien. Die Plantagenbesitzer machten überaus gute Geschäfte. Wohingegen die brasilianischen Gummibarone in eine große wirtschaftliche Krisen stürzten, von der sie sich nie mehr richtig erholten. Die Kautschukbäume in Südostasien hatten keine natürlichen Feinde wie Pilze oder Insekten und lieferten hohe Erträge. Noch heute sind asiatische Länder wie Thailand, Indonesien oder Malaysia die wichtigsten Kautschukproduzenten der Welt. Alle Versuche die Hevea-Bäume auch in Südamerika in Plantagen zu kultivieren sind wegen des Pilzbefalls gescheitert. Die Arbeiter auf den Plantagen schufteten für die Besitzer für einen Hungerlohn.

Der amerikanische Autohersteller Henry Ford wollte sich vom asiatischen Kautschuk unabhängig machen. Er hatte das ambitionierte Ziel sein Gummi selbst zu produzieren. Ende der zwanziger Jahre ließ er eine Siedlung nach amerikanischem Vorbild im brasilianischen Dschungel errichten. Auf 10.000 Quadratmeter pflanzten vor allem die brasilianischen Hilfsarbeiter Millionen von Kautschuksetzlingen an. Sie bauten die Fabrikanlagen und die komplette Kleinstadt »Fordlandia« auf. Jedoch wurden die zu eng gepflanzten Setzlinge immer wieder vom Schlauchpilz Microcyclus ulei befallen. Nie fand auch nur ein Stück Gummi seinen Platz an einem Ford-Auto.

Brutale Ausbeutung für Gummi

Außerhalb Asiens wurde zu dieser Zeit Naturkautschuk vor allem im afrikanischen Kongo erzeugt. Hier trieb der Kautschukboom seine brutalsten Blüten. In den Urwäldern des Kongo wuchsen Lianen aus denen sich Kautschuk gewinnen ließ. Der belgische König Leopold II. bekam den »Unabhängigen Kongostaat« als Privatbesitz zuerkannt. Als 1884/85 in Berlin die Afrika-Konferenz stattfand überzeugte er 14 europäische Staaten und die USA davon, ihm den Kongostaat zu überlassen. Mit brutalen Methoden zwang er die Einheimischen zur Kautschukernte, um seinen Teil am Weltmarkt zu sichern. Sie mussten eine bestimmte Menge an Kautschuk abliefern. Verfehlten sie diese, wurden die Frauen und Kinder als Geiseln genommen. Auch wurden Hände wie Füße der Arbeiter amputiert und ganze Dörfer niedergebrannt. Die Gewinne aus dem Kautschukverkauf waren immens. Auf öffentlichen Druck wurde 1908 dieser Brutalität, auch als »Kongogräuel«bekannt, ein Ende gesetzt. Der König musste den Kongo an den belgischen Staat abtreten, der die Kolonie in Belgish-Kongo umbenannte.

Die Abhängigkeit von wenigen Quellen bleibt

Heute wird Naturkautschuk auch in Afrika erzeugt (Elfenbeinküste, Liberia, Kamerun, Nigeria). Doch die politische Instabilität des afrikanischen Kontinents beeinträchtigen die kontinuierliche Entwicklung der Produktionsmengen. Die ständige Ausdehnung der Plantagen in Asien und andere wirtschaftliche Faktoren führen zu großen Preisschwankungen. Auch der synthetisch hergestellte Gummi ist eine Konkurrenz. Dennoch wird Naturkautschuk weiterhin als Rohstoff benötigt. Für bestimmte Zwecke ist der synthetische Kautschuk einfach nicht geeignet. OP-Handschuhe, Flugzeugreifen, Kondome oder eben Gummistiefel werden auch heute noch aus natürlichem Kautschuk hergestellt.

Durch die großflächige Rodung in China und Südostasien wird nicht nur das Ökosystem gestört auch die Plantagen-Bäume sind in Gefahr. Die hoch gezüchteten Bäume beruhen ja auf den Samen des Heva-Bäume aus dem Amazonasbecken. Deshalb können auch sie können an der Blattfallkrankheit durch den Schlauchpilz Microcyclus erkranken. Der ist im deutschen Kriegswaffenkontrollgesetz als Kampfmittel gelistet. Es ist nur eine Frage der Zeit, sagen die Wisschenschaftler. Nur eine einzigen Spore, die ihren Weg über den Ozean findet, kann eine ökonomische Katastrophe auslösen.

Gummistiefel trotz alledem

Trotz des Dilemmas mit dem Umweltschutz ist für mich der Gummistiefel aus nachwachsenden Rohstoffen die bessere Wahl. Wissenschaftler forschen übrigens an natürlichen Kautschuk-Alternativen. 2015 erhielt eine Forschergruppe den Joseph-von-Fraunhofer-Preis für ihre Forschung am Russischen Löwenzahn zur Kautschukgewinnung.

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